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Kongruenz und warum Annahme so wichtig ist
Foto: iStock.com/Anchiy

Integrität
Kongruenz und warum Annahme so wichtig ist

Dr. Winfried Vogel Redakteur
Redakteur, Psychosozialer Berater (Logotherapie)
Zwingenberg a.d. Bergstraße, D

Zu erleben, dass man permanent nicht mehr tun kann, was man zu tun gewohnt war, ist eine einschneidende Erfahrung im Leben und fordert uns heraus. Wenn Funktionen des Körpers nicht mehr möglich sind, betrifft dies den ganzen Menschen, und die Reaktionen der Betroffenen sind oftmals sehr unterschiedlich.

Stefanie Giesinger
Nachdem sie 2014 die neunte Staffel von «Germany’s Next Topmodel» gewonnen hatte, avancierte sie zum Social-Media Star. Das Besondere an ihr ist, dass sie nicht nur Glamour verbreitet, sondern auch ein Foto von sich gepostet hat, wo sie mit nässender Narbe auf dem Bauch in einem Krankenhausbett liegt. Stefanie ist schwerkrank, ihre inneren Organe können sich von einem Moment zum anderen so verdrehen, dass unerträgliche Schmerzen die Folge sind und Operationen notwendig werden. Keiner weiß, wie lange sie damit leben kann. Auf Nachfrage sagte sie kürzlich: «Ehrlich gesagt war das für mich kein großes Ding. Ich wollte mich eben so zeigen, wie ich bin. Zunächst hatte ich Angst, als das kranke Mädchen abgestempelt zu werden. Heute bin ich froh, dass ich dennoch den Mut aufgebracht habe. Für viele Menschen sind Krankheiten ein Tabuthema. Das möchte ich aktiv ändern. Ein Vorbild sein.» Bei ihren Fans kommt das nicht nur gut an. Manche werfen ihr vor, ihre Narbe nur zur Schau zu stellen. Sie finden es wahnsinnig, solch ein Foto zu zeigen. Sie hält dagegen: «So ist das Leben. Sich nur aufgebrezelt zu präsentieren, wäre der wahre Irrsinn.»
In der Netzwelt, in der sich diese erfolgreiche Influencerin bewegt, ist das ungewöhnlich und mutig. Denn dort geht es eigentlich nur darum, sich und die Produkte, die man anpreist, im besten Licht erscheinen zu lassen. Schwäche, Krankheit und Versagen haben da keinen Platz. Dabei ist genau das eine Sackgasse. Ehrlichkeit, Echtheit und Verletzlichkeit sind die Voraussetzung dafür, wirklich angenommen zu werden.

Grundbedürfnis Annahme
Die größte Sehnsucht in uns ist jene nach bedingungsloser Annahme durch mindestens einen anderen Menschen. Dieses Verlangen scheint ein Teilstück unserer DNA zu sein, es ist in uns hineingelegt. Wir wissen schon seit langem, dass bereits im frühesten Lebensstadium die liebevolle Annahme wenigstens einer Bezugsperson überlebensnotwendig ist. Und wir sind zeitlebens auf der Suche nach Menschen, die uns signalisieren, dass sie uns verstehen und annehmen, wie wir sind. Das Wort: «Ich verstehe dich» wirkt wie Balsam für unsere Seele, es ist wie ein Türöffner in unser Inneres. Und dabei ist nicht entscheidend, dass der andere derselben Meinung ist wie ich, allein die ehrliche Bereitschaft, meine Gedanken und meine Gefühle nachzuvollziehen, reicht schon aus, um Glückshormone auszuschütten. Und wenn uns jemand signalisiert, verbal und nonverbal, dass er uns und das, was wir tun, gut findet, dann ist das genau die Anerkennung und Bestätigung, die wir uns so sehnlich wünschen. Wenn diese Annahme durch andere aber ausbleibt oder wir den Eindruck haben, dass wir mehr davon bekommen sollten, als tatsächlich der Fall ist, neigen wir Menschen dazu, uns genau das zu holen, was wir brauchen. Es ist nicht zufällig, dass gerade in einer Phase, in der durch Globalisierung und Digitalisierung analoge, also buchstäbliche, zwischenmenschliche Begegnungen abgenommen haben, die sozialen Medien diesen Mangel beheben wollen. Tragischerweise erfüllen sie nicht denselben Zweck wie echte Begegnungen, sondern vermitteln lediglich die Illusion der persönlichen Annahme.

 

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