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Der Kummer mit dem Schlummer
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Ruhe
Der Kummer mit dem Schlummer

Albert Gruber
Akad. Lehrer für Gesundheitsberufe

Das Klingeln des Weckers reißt mich unsanft aus meinen Träumen. Müde und wie gerädert rolle ich mich aus meinem Bett. Schon wieder eine dieser Nächte, in denen mir kein erholsamer Schlaf vergönnt war. Hoffentlich bessert sich das wieder ...

Keine Seltenheit!
Abends ins Bett gehen, schnell einschlafen, gut durchschlafen und morgens wunderbar ausgeruht aufstehen, das wünscht sich wohl jeder. Die Realität sieht leider anders aus. Nahezu ein Drittel aller EU-Bürger kämpft mit Schlafstörungen, vor allem mit Einschlaf- und/oder Durchschlafstörungen. Und Schlafmangel auf Dauer zermürbt und macht krank. Herz-Kreislauferkrankungen, Depressionen, Rückenschmerzen, erhöhte Infektanfälligkeit usw. – die Liste der Beschwerden ist lang und wird immer länger.

Fragt sich bloß: WARUM?
Es gibt vielerlei Ursachen für Schlafstörungen, die von körperlichen und psychischen Erkrankungen über einen ungesunden, stressigen Lebensstil bis hin zu persönlichen Problemen reichen und oft ein ganz individuelles Gemisch dieser Faktoren sind. Meistens gibt es nämlich nicht die EINE Ursache, sondern mehrere Faktoren, die eine Schlafstörung hervorrufen. Gerade in der Ruhe der Nacht ist die Gefahr groß, zu viel über Sorgen, Probleme und den Alltagsstress nachzudenken, was oft zum Grübeln bis in die Morgenstunden führt. Unsere innere Uhr (Schlaf- und Wachrhythmus) kommt dadurch aus dem Takt, und Tagesmüdigkeit, erhöhte Reizbarkeit, Konzentrationsstörungen und reduzierte Leistungsfähigkeit folgen auf den Fuß. Guter Schlaf ist eben die Grundvoraussetzung für Gesundheit, Leistungsfähigkeit und Wohlbefinden. Darum verbringen wir auch etwa ein Drittel unseres Lebens in «Morpheusʼ Armen». Zwischen dem 20. und 70. Lebensjahr verbringen wir wahrscheinlich volle 15 Jahre im Bett! Kaum zu glauben, aber es ist wahr! Da stellt sich gleich die Frage:

«Wie viel Schlaf brauche ich denn pro Nacht»?
Doch darauf gibt es keine allgemeingültige Antwort. Einige kommen mit fünf Stunden Schlaf pro Nacht bestens aus, andere wiederum benötigen einfach ihre neun bis zehn Stunden. Der Durchschnitt scheint bei sechs bis acht Stunden zu liegen. Erst ab dem 60. Lebensjahr ändert sich die Schlafstruktur. Der Tiefschlaf nimmt ab, und es kommt häufig zu mehr Tagesschlaf. Grundsätzlich aber gilt: Wer zufrieden aufwacht, hat meist gut und genug geschlafen!
Wir sind im Schlaf nicht einfach weggetreten, sondern führen ein recht «bewegtes Nachtleben», denn unser Körper nutzt die Nacht, um sich zu regenerieren. Die Zellen erneuern sich, das Immunsystem wird gestärkt, Stoffwechselvorgänge arbeiten und das am Tag Erlebte wird in unserem Gehirn sortiert und verarbeitet. – All diese Vorgänge werden durch unsere «innere Uhr», den circadianen Rhythmus, wunderbar gesteuert. Sie ist sozusagen unser innerer Terminkalender, der vorgibt, wann ich schlafen, aufwachen und essen sollte und wann ich am leistungsfähigsten bin. Wenn diese innere Uhr aus dem Takt gerät, schläft man schlecht.
Nach dem aktuellen Stand der Schlafforschung ist der Schlaf in den ersten beiden Stunden am tiefsten und hat die erholsamste Wirkung auf den Körper. Dabei kommt es allerdings nicht so sehr auf die Uhrzeit an, sondern auf die Regelmäßigkeit und die Qualität des Schlafes. Störende Geräusche, Lichtquellen und andere Beeinflussungen zählen hier stärker als die Uhrzeit. Wirklich durchschlafen zu können ist auch für gute Schläfer keine Selbstverständlichkeit. Das Aufwachen in der Nacht ist normal und keinesfalls krankhaft. Tatsächlich erleben wir während des Schlafes viel mehr Unterbrechungen, als wir aktiv wahrnehmen: Denn an ein Aufwachen von weniger als ein bis zwei Minuten (geschieht mehrmals pro Nacht) können wir uns am nächsten Tag gar nicht erinnern. Wenn Wachphasen allerdings länger als fünf Minuten dauern, werden wir bewusst wach. Passiert das mehrmals pro Nacht, empfinden wir unseren Schlaf als gestört.

Sind Schlafmittel eine gute Lösung?
Aber was tun, wenn sich das Gedanken-Karussell nachts dreht und dreht und das Ein- und Durchschlafen boykottiert wird? Die scheinbar einfachste Lösung: Schlafmittel vom Arzt oder Apotheker. Verordnete Schlafmittel (Hypnotika), meistens aus der Gruppe der Benzodiazepine und den sogenannten Z-Substanzen, können das Ein- und Durchschlafen zwar erleichtern – die Ursache der Schlafstörung beseitigen sie jedoch nicht! Diese Arzneimittel wirken angstlösend, beruhigend, muskelentspannend und krampflösend, denn sie verstärken die natürlichen Signale des Gehirns zum Herunterfahren und Einschlafen. Doch dieser künstlich herbeigeführte Zustand lässt das Gehirn im Schlaf nicht normal arbeiten. Durch die Verringerung der Tiefschlafphasen (Erholungsphasen) wird der gesamte Schlafrhythmus gestört. Auf diese Weise wird auch das komplexe Zusammenspiel verschiedener Körperfunktionen, die während des Schlafens stattfinden (Hormonproduktion, Aktivierung des Immunsystems, Zellerneuerung, Entgiftung etc.) stark beeinträchtigt, sodass die regelmäßige Einnahme von Schlafmitteln letztlich physisch und psychisch krank macht.
Eine kurzfristige Einnahme dieser Medikamente kann in speziellen Situationen hilfreich und daher auch angemessen sein. Von einem langfristigen Gebrauch wird jedoch generell dringend abgeraten. Schon nach wenigen Wochen droht bei diesen Arzneimitteln eine Abhängigkeit – schneller als bei Alkohol. Denn die Nerven gewöhnen sich an das medikamentös verstärkte Signal des Gehirns, und die körpereigenen Botenstoffe reichen dann nicht mehr aus, um ein- und durchzuschlafen. Teilweise kehrt sich die eigentliche Wirkung der Beruhigung sogar ins Gegenteil, und die Medikamente machen unruhig und psychisch instabil. Um eine Gewöhnung zu verhindern, sollten Z-Substanzen und Benzodiazepine darum nicht länger als zwei Wochen eingenommen werden.
Viele Menschen mit dauerhaften Schlafstörungen greifen daher aus Angst vor Tablettenabhängigkeit und den Folgen des Schlafmangels zu rezeptfreien und vermeintlich unbedenklichen Schlafmitteln. Doch die freiverkäuflichen Präparate mit ihren harmlos klingenden Namen sind alles andere als ungefährlich. Sie können zu Herzproblemen führen, da sich nach der Einnahme die Herzfrequenz erhöht. Unterschätzt wird auch die sedierende (dämpfende) Wirkung dieser Medikamente. Sie kann bis zu zehn Stunden nach der Einnahme noch zu Störungen der Koordination und Konzentration, zu Schwindelgefühl, Benommenheit und Verwirrtheit führen. Gerade bei älteren Personen erhöht sich dadurch die Sturz -und Unfallgefahr erheblich. Wer sich also von einer Pillenschachtel Abhilfe verspricht, beschwört damit neue Probleme herauf.

Aber jetzt die gute Nachricht
Gesund schlafen kann man lernen! Dazu braucht es jedoch ein paar Voraussetzungen und eine Portion Disziplin. Diese Rahmenbedingungen werden auch als Schlafhygiene bezeichnet und setzen sich, wie folgt, aus verschiedenen Verhaltensweisen, Maßnahmen und einer Kombination aus gesundem Lebensstil, Aktivität und Ruhe zusammen:

  • Tageslicht tanken: Tageslicht ist der wichtigste Taktgeber für unsere innere Uhr! Guter Schlaf hängt davon ab, wie viel wir tagsüber, idealerweise vor dem Mittag, davon konsumieren. Das Licht hat Auswirkungen auf die Hormone Melatonin und Serotonin, die den Schlaf- und Wachrhythmus im Gehirn regulieren.
  • Ausreichend Bewegung: Wer tagsüber körperlich aktiv ist, dem wird es viel leichter fallen, am Abend einzuschlafen. Aber Sport vor der Nachtruhe bitte vermeiden!
  • Keine späten und üppigen Mahlzeiten: Die Verdauungsorgane müssen dadurch «widerwillig» Überstunden leisten und stören damit den Schlafzyklus.
  • Vorsicht mit: Cola- und Energydrinks, Kaffee und Schwarztee, Alkohol und Tabak vor dem Zubettgehen. Alkohol lässt zwar leichter einschlafen, aber auch schlechter träumen und schlechter durchschlafen. Selbiges gilt für den Kaffee. Die aktivierende Wirkung von Koffein kann 8–14 Stunden anhalten.
  • Frischluft bitte: Die ideale Raumtemperatur ist individuell unterschiedlich, sollte jedoch etwas niedriger sein als üblich (Richtwert etwa 18 °C).
  • Kein Fernsehschlaf: Wir schalten den Fernseher ein und uns ab! Aber das ist kein erholsamer Schlaf. Wir nehmen uns nur den notwendigen Schlafdruck und liegen dann später wach im Bett.
  • Elektronik, nein danke: Handy, Tablet und Co. haben bis zum Morgen Pause und auch Schlafzimmerverbot! Allein die Möglichkeit, jederzeit erreichbar zu sein, ist keine gute Voraussetzung für einen erholsamen Schlaf.
  • Angenehmes Bad: Evtl. mit Zusatz von Hopfen, Melisse, Lavendel, Baldrian, Holunder … wirkt wunderbar beruhigend und schlaffördernd.
  • Wie man sich bettet ... : Der passende Lattenrost, eine bequeme, ergonomische Matratze, die auf die eigenen Bedürfnisse (z. B. Körpergewicht) abgestimmt ist, dient der Schlafqualität ebenso wie typengerechte Bettwäsche. Das Bett sollte möglichst nur zum Schlafen da sein und nicht als Ort fürs Fernsehen, Essen oder Arbeiten dienen. Der Schlafort ist ein wesentliches Element für ein besseres Ein- und Durchschlafen. Dazu gehören ein ruhiges Ambiente, die Möglichkeit zur Abdunkelung sowie die Vermeidung störender Lichtquellen.
  • Regelmäßiger Schlaf­rhythmus: Um wieder einen erholsamen Schlafrhythmus zu finden, sollte man eher nicht damit beginnen, jeden Tag zur selben Zeit ins Bett zu gehen. Sinnvoller ist es, immer zur selben Zeit aufzustehen, dann wird man tendenziell auch zur gleichen Uhrzeit müde.
  • Tagesausklang: Jeden Abend eine Stunde «Urlaub» machen – so, als hätte man alles erledigt. Das hilft bestens, sich zu entspannen und abzuschalten.

Schlafen Sie gut!

 

 

 

 

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