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Die Brille am Handgelenk – das Handy im Kühlschrank
Foto: iStock.com/FredFroese

Beziehungen
Die Brille am Handgelenk – das Handy im Kühlschrank

Die Diagnose «Demenz» hat Zerstörungskraft. Wie macht man das Beste daraus?

Hanna Klenk
Fachfrau Langzeitpflege und -betreuung

Eine mögliche Demenzerkrankung schwebt wie ein Damoklesschwert über mir, je älter ich werde. Die Nachricht, dass im Bekanntenkreis jemand, der wenig älter oder sogar noch jünger ist als ich, auf eine E-Mail nicht mehr antworten kann und Unterstützung braucht, um seine administrativen und finanziellen Angelegenheiten zu regeln, erschreckt mich. Was kommt da auf mich zu? Verliere auch ich einmal die Fähigkeit, selbstbestimmt zu leben? Da vergeht einem das Lachen und die Freude am Leben – oder doch nicht?

Mit Humor klappt es – oder doch nicht! Was soll’s?
Nach mehreren erfolglosen Versuchen treffe ich Frau M. wach an. Mit dem Spruch: «Die Kammerfrau meldet sich zum Dienst!» begrüße ich sie und ernte ein Lachen. Nachdem Körperpflege und Ankleiden erledigt sind, bleiben noch Brille und Uhr, um startklar zu sein. Da mir als Pflegende die Zeit zum Rapport knapp wird, erkläre ich Frau M., was noch fehlt und reiche ihr die Brille. Sie hat noch das Wort «Uhr» im Gedächtnis und probiert nun, die Brille am Handgelenk zu montieren, was auch nach mehreren Versuchen nicht funktioniert. Als sie am Frühstückstisch sitzt, reiche ich ihr erneut die Brille – diesmal ohne Kommentar – und sie kann sie ohne Probleme aufsetzen (die Uhr lasse ich mal sein). Beim Nachdenken über die Situation merke ich, dass der Grund des Misslingens auf meiner Seite lag. Ich werde immer nur eine Unterstützung auf einmal anbieten, kein Grund zum Stress. So kann Beziehung und der Alltag mit Demenzerkrankten gelingen. Im Nachhinein kann (und darf) ich auch über die Komik der Begebenheit lachen.

Demenzerkrankung – drohende Gefahr?
Zahlreichen Menschen macht der Gedanke, vielleicht einmal an Demenz zu erkranken, große Angst. Man kann sich nicht darauf vorbereiten; alle vorbeugenden Maßnahmen nützen scheinbar nichts: Keiner ist gefeit, der Feind schlägt ohne Vorwarnung zu! Kann man dem Ganzen auch etwas Positives abgewinnen oder bin ich dem Geschehen als Betroffene oder Angehörige machtlos ausgeliefert? Wie soll es bloß mit unserer Beziehung weitergehen?

Der Lebensfluss
Die Erkrankung kann mit einem Bild deutlicher gemacht werden. Ich bin in der Zeit meiner Lebensreise in einem Boot unterwegs auf einem Fluss. Die Strömung treibt mich sanft voran, ich lege mal an diesem, mal an jenem Ufer an, steige aus, erlebe Abenteuer, beschleunige zusätzlich durch kräftiges Rudern. Es gelingt mir auch, gegen den Strom zu steuern. Irgendwann auf meiner Reise spüre ich, wie die treibende Kraft größer, die Vorwärtsbewegung schneller wird. In der Ferne höre ich ein Tosen und Brausen. Ein nahender Wasserfall, eine Stromschnelle? Ich versuche, mein Boot an Land zu steuern, kämpfe gegen die immer reißendere Strömung an, gerate in Panik, rufe um Hilfe – nichts nützt! Der Strudel reißt mich über die Kante, ich stürze, falle, gehe unter, komme hoch, schnappe nach Luft und leide furchtbare Angst. Einmal dahinter oder unten angekommen, treibt das Boot wieder in ruhigem Wasser voran, die Erinnerung an das durchlittene Durcheinander verblasst, ich kann wieder lachen und mich an kleinen Dingen freuen.

 

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